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Psychosomatik Tanztherapie

Geschichte der Tanztherapie in der Psychosomatik

Die Wurzeln der psychosomatischen Tanztherapie finden sich in der Entwicklung des Tanzes und der Psychologie. Tanz ist eine der ersten und ältesten Formen menschlichen Ausdrucks von Gefühlen. Auch heute noch finden wir bei Naturvölkern die Einstellung, dass Tanz gleichbedeutend ist mit allen wichtigen Aspekten des Lebens. Neben einer heilenden oder transzendentalen Funktion festigen Tänze Identität und Wertesysteme menschlicher Gemeinschaften.

Vom frühen Mittelalter bis zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts setzte in den wesentlichen Kulturen eine zunehmende Formalisierung des Tanzes ein. Dabei wechselte der Fokus vom religiös-gesellschaftlichen Kultausdruck hin zur Technisierung, Normierung und Perfektion. Tanz war immer weniger in das Alltagsgeschehen integriert und wurde zunehmend zur Kunstform.

In der aufbrechenden Stimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutionierte sich auch die Tanzszene in Europa und Amerika. Tänzerinnen wie Isadora Duncan und nachfolgend die deutsche Ausdruckstanzbewegung (Rudolf von Laban, Mary Wigman u.a.) entwickelten eine Form des Tanzens, bei der wieder innere Gefühle den Ausdruck bestimmen.

Alle Gründerinnen der Tanztherapie sind von dieser Zeitströmung beeinflusst worden und haben zum Teil selbst bei Mary Wigman studiert.

Parallel zu der Entwicklung des Tanzes entstanden in dem noch sehr jungen Gebiet der Psychologie verschiedene theoretische Ausrichtungen (Freud, Jung, Adler, Reich etc.), die alle einen Einfluss auf die spätere Entwicklung der Tanztherapie haben sollten.

Die Anfänge der Tanztherapie in den USA der 1940er Jahre sind geprägt durch einige Tänzerinnen, die zumeist durch die Kriegswirren nach Amerika emigriert, um dort zunächst ihre Tanzkarrieren fortzusetzen. Unabhängig voneinander brachten sie den Tanz an der amerikanischen Ost- und Westküste in die psychiatrischen Kliniken.

Trudi Schoop und Marian Chace arbeiteten vorwiegend mit psychiatrischen Patienten, Mary Whitehouse und Liljan Espenak entwickelten auf der psychologischen Grundlage von C.G. Jung und Alfred Adler tanztherapeutische Vorgehensweisen für neurotische Patienten. Diese und andere Begründerinnen der Tanztherapie versuchten mit viel Herz und Intuition die Begeisterung für den Tanz auf die Patienten zu übertragen.

Die zweite Generation der Tanztherapeutinnen bemühte sich dann verstärkt um die wissenschaftliche Überprüfbarkeit der Tanztherapie. Janet Adler entwickelte auf der Basis der Psychologie C.G. Jungs die von Mary Whitehouse begründete Authentische Bewegung weiter. Judith Kestenberg leistete wichtige Beiträge zur Bewegungsbeobachtung und Bewegungsentwicklung im frühen Kindesalter. Irmgard Bartenieff verband ihr physiologisches Wissen mit tanztherapeutischen Inhalten. Elaine Siegel entwickelte einen psychoanalytischen Ansatz der Tanztherapie.

Anfang der 1980er Jahre kam die Tanztherapie auch nach Deutschland. Susanne Bender war die erste, die für ein Studium in den USA ein Stipendium erhielt. Ab 1988 trafen sich alle führenden Weiterbildungsinstitute zur Erarbeitung gemeinsamer Standards, um die Qualität der Fort- und Weiterbildungen in Tanztherapie zu sichern. Susanne Bender war maßgeblich an dieser berufspolitischen Entwicklung der Tanztherapie beteiligt.

Auf diesen Grundlagen wurde 1995 der Berufsverband der TanztherapeutInnen Deutschlands e.V. (BTD) gegründet. Der BTD sichert die Qualitätsstandards der Aus- und Weiterbildung, setzt sich für berufspolitische Ziele ein und vertritt als einziger Verband in Deutschland institutsübergreifend alle qualifizierten TanztherapeutInnen.

Tanztherapeutische Indikationsstellung

Die Tanztherapie weist im Allgemeinen ein breites Indikationsspektrum auf, da sie von Personen mit unterschiedlichem professionellem Hintergrund aus der künstlerischen und klinischen Arbeit heraus mit verschiedenen Klientelgruppen entwickelt wurde und im Laufe der Jahrzehnte erst zu einem Ganzen zusammengewachsen ist. Somit ist das Verfahren heute auf viele Zielgruppen anwendbar und umfasst das Spektrum vom Säugling und Kleinkind bis zum alten Menschen, mit Störungsbildern von somatischen über psychosomatischen bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen, einschließlich geistiger und körperlicher Behinderung.

Im Allgemeinen und auch größtenteils in der klinisch angewandten Tanztherapie mit Kindern und Jugendlichen gilt: Die Kontraindikation ergibt sich in der Einzeltherapie weniger aus dem Krankheitsbild, sondern aus der persönlichen Bereitschaft, sich auf das Verfahren einlassen zu können oder nicht (vgl. Eberhard-Kaechele 2001).

Vertrauen und Angenommen-Sein erleben, Erfahren von Halt und Unterstützung

  • Wahrnehmen der eigenen Körpergrenzen und sich als Einheit erleben,
  • Erfahren von aufeinander Einstimmen und Abstimmen zum Erwerb von Empathiefähigkeit,
  • Spiegeln als Hilfe zur Selbstwahrnehmungsfähigkeit und Vertrauensbildung (siehe Kapitel 2.2.5),
  • Akzeptieren und Annehmen der Patienten mit ihrem Körperausdruck über nonverbale Kommunikation und Spiegelung,
  • Fördern von Objektkonstanz.

Förderung der Kreativität

  • Entdecken des eigenen kreativen Potenzials,
  • Improvisation eigener Themen (Emotionen) über tänzerische und/oder Bewegungsausdruck,
  • Arbeiten mit Materialien, Medien, Objekten.

Stärken der Selbstwahrnehmung

  • Entspannungsübungen, Wahrnehmen von Anspannung und Entspannung,
  • Erfahren der eigenen Körperhaltung und deren Bedeutungsgehalt,
  • Gestalten von Bewegungsübergängen (Tonusregulation),
  • Arbeiten mit Atmung und Stimme,
  • Erkennen und Wahrnehmen eigener Bewegungsmuster können über Techniken des

Spiegelns, Kontrastierens, Vergrößerns, Beschleunigens, Verlangsamens, Spezifizierens, Verstärkens, Wiederholens oder durch Berührung spürbar und deutlich werden (siehe Kapitel Methoden, tanzth. Techniken 2.2.5).

Bahnen und Etablieren von Körperverbindungen

  • Aufhebung der Fragmentierung, den Körper als verbundenes Ganzes erleben,
  • Aktivierung von physiologisch und harmonisch ineinander greifenden Bewegungsabläufen,
  • Bewusstwerden des Körperzentrums und der Verbindung in die Extremitäten,
  • Integration der rechten und linken Körperhälfte, der Körperachse und Diagonalverbindungen (Überkreuzbewegungen),
  • Stärken der Oberkörper-Unterkörper-Verbindung über die Wirbelsäule für eine stabile Aufrichtung zur Selbstbehauptung und „Ich-Stärkung“.

Erweitern des Bewegungsrepertoires im Sinne einer nachreifenden „Ich-Entwicklung“

  • Erlernen neuer Bewegungsqualitäten,
  • Sich-Erlauben, den eigenen inneren Impulsen von Spontaneität und Authentizität wertfrei nachzugehen,
  • Neugierig und offen werden für neue und unbekannte Möglichkeiten des eigenen Ausdruck „sich selbst überraschen“.

Entdecken und Fördern des eigenen und selbst bestimmten Ausdrucks durch die Integration des Unbewussten

  • Bewusstmachen von „Schattenbewegungen“
  • Fokussieren des eigenen inneren Erlebens und die Wahrnehmung des sozialen Umfelds mit seinen Konflikten und Belastungen, anstelle der hohen Aufmerksamkeit auf negative Körperempfindung
  • Herstellen von Körperwahrnehmungen und deren affektive Bedeutung für die eigene Lebensgeschichte

Stärken von Selbstbehauptung und Abgrenzung

  • Stärken von Autonomie durch das Erleben von Kontrolle, Entscheidungsfähigkeit, Selbstbestimmung,
  • Erfahren der eigenen Körpergrenze und des eigenen Körperumraums,
  • Regulation von Nähe und Distanz, Wahrnehmung eigener Bedürfnisse und Wünsche, um Nähe zulassen und Distanz halten zu können.

Aufhebung von Aggressionshemmung

Gefühle von Wut und Ärger zeigen zu könne, ohne Gefühle von Scham, Schuld und Ängsten, mit diesen Gefühlen nicht angenommen zu werden.