Lebenslage Gesundheit

Live Kinetik in der Reha - Fachklinik Sankt Lukas

Gerade wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, blicken wieder viele Menschen ins Bonusheftchen ihrer Krankenversicherung: Bekomme ich eine Prämie? Wo muss ich noch hin? Und zuletzt: Was tut man dort mit mir? Fast alle Krankenkassen bieten inzwischen Bonusprogramme an und viele Millionen Menschen nutzen sie. Alles zum Wohle ihrer Gesundheit. Nichts ist uns gefühlt so wichtig – und doch verlieren wir sie ständig aus dem Blick – unsere Gesundheit. Meeting oder Sport? Kochen oder Fastfood? Schlaf oder Feinschliff am Vortrag? Was uns im Persönlichen alltäglich betrifft ist uns gesamtgesellschaftlich nicht fern. Nach einer neuen Veröffentlichung von IfD Allensbach ist für 84 % der Bevölkerung ein zukunftssicheres und bezahlbares Gesundheitssystem die wichtigste Aufgabe einer kommenden Bundesregierung. Das Thema bewegt laut Studie die Menschen noch mehr als die politischen Dauerbrenner: soziale Ungleichheit, Migration oder innere Sicherheit. Aber was bedeutet ein zukunftssicheres und bezahlbares Gesundheitssystem im Einzelnen?

Versorgung mit Hausärzten auf dem Land, eine ausreichende und gleichmäßige Ansiedlung von Fachärzten und Therapeutenoder hinreichend Behandlungs- und Therapieplätze,insbesondere für Schwersterkrankte: Eine mögliche Unterversorgung trifft die 27 Millionen Menschen in Deutschland, die mindestens unter einer chronischen Erkrankung leiden, besonders. Für 85 % der Menschen mit einer chronischen Krankheit wird diese später einmal in einer Schwerbehinderung münden (Statistisches Bundesamt 2014). Persönliche Krankheitsgeschichten bilden also die Basis für Behinderungen sowie Beeinträchtigungen der individuellen Teilhabe und Lebensgestaltung.

Der Teilhabebericht der Bundesregierung stellt fest: Menschen mit Beeinträchtigungen suchen im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen durchgängig in allen Altersgruppen häufiger einen Arzt oder Therapeuten auf. Zugleich beklagen sie mehr Krankheitstage. Sie benötigen öfter Gesundheitsleistungen, was gleichermaßen mit höheren Kosten für den Einzelnen verbunden ist. Unterschiede des Gesundheitszustands korrelieren mit Unterschieden in der Ausbildung, dem beruflichen Status und dem Einkommen. Das hat Folgen: Menschen mit niedrigem Einkommen können im Krankheitsfall seltener Fachärzte und andere Experten konsultieren. Viele Dienstleistungs- und Hilfsangebote sowie Hilfsmittel stehen ihnen schlichtweg nicht zur Verfügung. Zwar sind alle notwendigen Gesundheitsleistungen grundsätzlich allen Menschen in Deutschland unabhängig von ihrem Einkommen zugänglich. Allerdings ist “Unsere Gesundheit“ auch ein riesiger Markt, auf dem sich verschiedene Akteure mit transparenten und intransparenten Angeboten tummeln. Nicht alles, was vorgeschlagen wird, ist medizinisch sinnvoll, nicht alles, was medizinisch sinnvoll ist, wird vorgeschlagen? Wer soll da den Überblick behalten, gerade wenn er sich nicht gut fühlt, oder nicht die nötigen Ressourcen vorliegen, sich entsprechend zu informieren?

 

Versorgungsangebote und Zugänglichkeit

„Gesundheit“ ist ein Zustand des körperlichen, psychischen und sozialen Wohlergehens.
Eine gute gesundheitliche Verfassung fördert die produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale und kann auch die Bereitschaft zu gesellschaftlicher Beteiligung erhöhen (Hurrelmann, 2006). Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft kann sich wiederum positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen auswirken. So setzt eine gute gesundheitliche Versorgung ein qualitativ und quantitativ gutes Angebot an Gesundheits-,Präventions- und Rehabilitationsangeboten voraus, die zugleich zugänglich und nutzbar sein müssen. Dies gilt ausdrücklich auch für Menschen mit Beeinträchtigungen, die spezifische Anforderungen an die Qualität, Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit gesundheitlicher Dienstleistungen haben, die je nach Art der Beeinträchtigungen unterschiedlich sein können. Kritisch wird es, wenn es schon bei der Barrierefreiheit hapert: Von insgesamt 196 000 Arzt- und Zahnarztpraxen sowie psychotherapeutischen Praxen, die sich im Ärzteportal wiederfinden, gaben nur 11 % an, mindestens 3 von insgesamt 12 Kriterien der Barrierefreiheit zu erfüllen, so der Teilhabebericht. Damit geht eine eingeschränkte Nutzbarkeit von Beratungs- und Behandlungsangeboten einher. Das reicht von geeigneten Instrumenten zur Diagnostik bis zu seiner transparenten und adressatenorientierten Aufbereitung von Informationen zur Erkrankung oder möglichen Therapien. Ein fehlender Zuschnitt von individuellen Leistungen und Angeboten sowie fehlende Beratung und Aufklärung, hindern Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt über sich und ihre Situation zu entscheiden und gleichermaßen teilzuhaben.

Schon in der Vergangenheit hat der Gesetzgeber zahlreiche Initiativen und Gesetze im Bereich Gesundheit verabschiedet. Man denke an die Pflegestärkungsgesetze, das Flexirentengesetz oder das Bundesteilhabegesetz. Der Gesetzgeber hat an vielen Stellschrauben gedreht: Aufklärung und Beratung, Kinder- und Jugendrehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Bildung, ganzheitliche Betrachtung und koordinierte Leistungen, um nur einige Aspekte aufzuzählen. Insgesamt bietet das Gesundheitssystem vielseitige Maßnahmen zur Vorsorge und Prävention, um Gesundheitsprobleme im individuellen Kontext der Lebenswelt im Vorfeld zu vermeiden (s. Interview mit Frau Dr. Weinbrenner auf S. III).

Initiativen und Projekte der Reha-Träger

Auch die anderen Reha-Träger entziehen sich ihrer Verantwortung nicht, sondern versuchen im Rahmen ihrer Aufgaben immer wieder mit neuen präventiven Ansätzen etwas für die Gesundheit ihrer Versicherten in verschiedenen Lebensbereichen zu tun. Seit 2001 werden für die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung einheitliche Kriterien und Handlungsfelder in einem gemeinsamen „Leitfaden Prävention“ festgelegt. Der Leitfaden bildet die Grundlage, um die Versicherten zu unterstützen, Krankheitsrisiken möglichst frühzeitig vorzubeugen und ihre gesundheitlichen Potenziale und Ressourcen zu stärken. Der Leitfaden (Stand: Januar 2017) findet sich auf der Website des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Spitzenverband). Auch die Bundesagentur für Arbeit, zu deren primären Aufgaben zwar nicht die Gesundheitsförderung zählt, unterstützt durch ihren Arbeitgeberservice bei der Besetzung von Stellen mit schwerbehinderten Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind. Der Arbeitgeberservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) bringt schwerbehinderte Akademiker und Unternehmen zusammen, klärt über finanzielle Fördermöglichkeiten auf und steht bei allen Fragen bei der Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zur Seite. Aktuelle Informationen finden sich auf der Website der Bundesagentur für Arbeit.
Darüber hinaus starteten die Träger der Unfallversicherung auf der Fachmesse A+A am 18. Oktober 2017 in Düsseldorf die Kampagne „kommmitmensch“.

"kommmitmensch"

Insgesamt ist der Zugang und die konkrete Ausgestaltung von präventiven, gesundheitsbezogenen und psychosozialen Dienstleistungen in der Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen. Der Gesetzgeber ist angehalten, einen Rahmen zu schaffen, den alle Akteure im Gesundheitssystem ausfüllen müssen. Nur durch die Schaffung von Angeboten und Leistungen, die offen und transparent allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen, können im Ergebnis merkliche Fortschritte erzielt werden. Zugleich sorgen Demographie, technischer und medizinischer Fortschritt und der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen dafür, dass alle Akteure ihre Angebote und Leistungen kontinuierlich überprüfen und zum Wohle der Gesundheit aller Menschen fortlaufend weiterentwickeln müssen.

Artikel ist erschienen bei der BAR im Reha Infobreif Quelle www.bar-frankfurt.de/publikationen/reha-info