Fast 50.000 Kuren im Nirwana verschwunden

Therme in Bad Griesbach

Deutschland ist das Land der Statistik: von der Zahl der hier lebenden Ziervögel bis zur Anzahl der Aquarien in Haushalten wird nahezu alles erfasst. Nicht verständlich ist es deshalb für den Bayerischen Heilbäder-Verband, dass es in der Gesundheitsberichterstattung einen wahren Zahlensalat gibt. So ist es seit Jahren nicht möglich, stichhaltige Aussagen über abgerechnete ambulante Kuren in Deutschland zu bekommen. Die zentrale Abrechnung findet in der Kurärztlichen Verwaltungsstelle der kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe statt. Sie berichtet für das Jahr 2014 über 57.800 abgerechnete Fälle. Dagegen kommt das Bundesgesundheitsministerium in der so genannten „Statistik KG 5, Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung“ auf 106.477 abgerechnete Fälle – also fast 50.000 mehr. Um die Verwirrung noch komplett zu machen, führen die Gesetzlichen Krankenkassen für 2014 rund 139.000 Anträge und 95.000 genehmigte Fälle auf.

„Dieses Statistik-Wirrwarr ist keine Lappalie für uns“,  erklärt der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäder-Verbandes Klaus Holetschek. „Für unsere strategische Ausrichtung und Positionierung wäre es schon wichtig zu wissen, wo wir in der Prävention stehen. Wir fragen uns: wo sind die fast 50.000 Vorsorgemaßnahmen, die das Bundesgesundheitsministerium mehr in seiner Statistik hat als die Kurärztliche Verwaltungsstelle Westfalen-Lippe? Die können doch nicht im Nirwana verschwunden sein.“ Unmöglich ist es, Aussagen über Auslandskuren zu bekommen, die von den deutschen Versicherungen bezahlt wurden. Der Bayerische Heilbäder-Verband wandte sich bereits an die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Fischbach und an die Kurärztliche Verwaltungsstelle. Beide konnten die Differenzen nicht aufklären. „Klar geworden ist aber, dass es zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und der Kurärztlichen Verwaltungsstelle keinen Austausch der Daten gibt“, so Holetschek. Der BHV-Vorsitzende ist CSU-Landtagsabgeordneter und hat deshalb eine Anfrage an die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml gestellt. Darin will er wissen, wie die unterschiedlichen Zahlen zustande kommen, und wer in Bayern die Zahlen für die Vorsorgemaßnahmen nach § 23 Absatz 2 SGB V (ambulante Kuren) erhebt. Außerdem möchte Holetschek wissen, wie bei so unterschiedlichen Statistiken eine fundierte Gesundheitsberichterstattung in Deutschland und Bayern erfolgen kann, und ob es im Freistaat eine zentrale Stelle zur Erfassung dieser Vorsorgemaßnahmen gibt.

„Wir sind als Bayerischer Heilbäder-Verband verpflichtet, unsere Mitglieder über die Entwicklungen im Gesundheitswesen zu informieren. Da würden wir schon gerne qualifizierte Aussagen treffen. Es kann doch nicht sein, dass in Deutschland vom Hamster bis zum Fisch im Aquarium alles erfasst wird, und so ein wichtiger Bereich wie die Kuren anscheinend ein unlösbares Statistik-Problem darstellt.“  Ambulante Kuren seien ein bedeutender Faktor der Gesundheitsprävention. „Angesichts der längeren Lebensarbeitszeit der Menschen und der zunehmenden Volkskrankheiten wie Diabetes, Rückenleiden oder Demenz werden diese Vorsorgemaßnahmen immer wichtiger.“