Wunsch- und Wahlrecht

Wunsch- und Wahlrecht

Mitsprache ohne Mitbestimmung

Der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) hat entschieden, die Richtlinie über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 16. März 2004 zu ändern.  Die  Änderungen betreffen im Wesentlichen die Vereinfachung des Reha-Verordnungsverfahrens sowie die Stärkung der Patientenrechte und sollen voraussichtlich im Frühjahr 2016 in Kraft treten.

Die bisher gültige Reha-Richtlinie sieht bereits in § 2 Absatz 8 vor, dass bei Entscheidung über Leistungen zur medizinischen Reha den Wünschen der Versicherten zu entsprechen ist. Die neue Reha-Richtlinie erweitert durch den § 5 das Wunsch- und Wahlrecht auf den Bereich der Rehabilitationsberatung.

Die Norm wird dementsprechend um einen Satz 3 ergänzt: „Auf das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten nach § 9 SGB IX wird hingewiesen“

Ob und wie die Wünsche der Patienten durch eine einfache Hinweisgebung im frühen Beratungsstadium tatsächlich realisiert werden können, ist mehr als fraglich. Aus diesem Grund schlagen diverse Institutionen und Organisationen in Stellungnahmen, zu § 5 Absatz 1 Satz 3 der neuen Reha-Richtlinie, anstelle der Hinweisgebung eine rechtsverbindlichere Formulierung vor.

Das Wunsch- und Wahlrecht soll bewirken, dass sich Patienten rechtzeitig und genauer über Reha-Angebote informieren. Die Betroffenen sollen so früher in den Entscheidungsprozess eingebunden werden, um ihre Akzeptanz und Motivation für die angezeigte Rehabilitation zu erhöhen.

Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die von den gesetzlichen Krankenkassen (KK) getragen werden, regelt § 40 Absatz 2 Satz 1 SGB V, dass die KK „nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten gemäß Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.“ Die Formulierung „Wünschen der Leistungsberechtigten werden entsprochen“ suggeriert einen einklagbaren Anspruch des Versicherten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Ergebnis hat der Leistungsempfänger lediglich einen Anspruch darauf, dass sein Wunsch angemessen berücksichtigt wird. Jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine Wunscheinrichtung.

Dementsprechend muss das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX im Rahmen der Ermessensentscheidung gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot zurücktreten. Untermauert wurde dieses Wirtschaftlichkeitsgebot durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Mai 2013. Dabei entschied das Gericht, dass die Krankenkassen die Kosten für die geeignete Wunscheinrichtung nicht übernehmen müssen, wenn die von ihnen vorgeschlagene Einrichtung kostengünstiger ist.

Die Klägerin argumentierte dabei, dass mit Abschluss des Versorgungsvertrages und der Vergütungsvereinbarung die Wirtschaftlichkeit der Reha-Einrichtung bereits feststehe. Kostengesichtspunkte dürften insofern keine Rolle mehr spielen.

Das BSG ließ insoweit offen, ob „berechtigte Wünsche der Leistungsberechtigten“ generell nur solche sind, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuch V nicht wiedersprechen. Der Senat stellte jedoch fest, dass das Wahlrecht bei Ansprüchen auf Reha-Leistungen nach dem SGB V hinter dessen speziellen Anforderungen zurücktrete.

Im Hinblick auf den geringen Stellenwert des Wunsch- und Wahlrechts als Kriterium im Rahmen der Entscheidung überrascht es nicht, dass dem bloßen Hinweis im Rahmen einer ärztlichen Beratung erst recht keine rechtliche Verbindlichkeit zukommen kann. Die vom G-BA angepriesene Stärkung der Patientenrechte ist durch den unverbindlichen Hinweis nicht zu erwarten. Von einem Mitbestimmungsrecht kann daher keine Rede sein.

 

Auf Seiten der niedergelassenen Ärzte bringen die Neuerungen jedoch Vorteile. Nach der neuen Reha-Richtlinie darf künftig jeder Vertragsarzt medizinische Rehabilitationsleistungen verordnen, ohne besondere Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen zu müssen. Dies bringt eine wesentliche Erleichterung für die Ärzte mit sich, da die zeitaufwändige Überweisung zu einem Kollegen mit entsprechender Zusatzqualifikation entfällt.

Zum anderen ist das bisher zweistufige Verordnungsverfahren durch ein weniger bürokratieverursachendes einstufiges Verfahren ersetzt worden. Somit entfällt der, bei Ärzten unbeliebte, „Antrag auf den Antrag“. Mit diesem wurde bisher vorab die Zuständigkeit des Kostenträgers geklärt. Künftig muss vom Arzt nur noch ein Antrag auf Verordnung der medizinisch indizierten Rehabilitation ausgefüllt werden. Dadurch wird das Antragssystem wesentlich beschleunigt.

 

Quelle: f&w: führen und wirtschaften im Krankenhaus