Epigenetik: Armut macht auf Dauer psychisch krank

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Ein Gen, welches Angriffspunkt von Antidepressiva ist und das Serotonin aus dem synaptischen Spalt entfernt, ist bei Jugendlichen, welche in ärmeren Familien groß werden, wird häufiger durch Anhängen von Methylgruppen abgeschaltet. Die Studie Molecular Psychiatry könnte erklären, warum Depressionen in ärmeren, konfliktbeladenen Familien häufiger auftreten und warum diese Depressionen möglicherweise „vererbt“ werden. Manche Kinder, welche in armen Familien aufwachsen, sind in gesundheitlicher Hinsicht in einigen Bereichen benachteiligt. Die Ernährung ist weniger ausgewogen, die Eltern rauchen häufiger, die Erziehung ist meist autoritär und der Stress der Eltern überträgt sich auf die Kinder.

Angst und Depressionen treten in Familien mit geringem sozioökonomischen Status häufiger auf. Ein möglicher Ansatzpunkt um die zugrunde liegenden Mechanismen zu klären, wäre die Aktivität des Gens SLC6A4. Es ist bekannt, dass Varianten im SLC6A4-Gen das Risiko einer Depression beeinflussen. Neben Genmutationen sind jedoch auch epigenetische Einflüsse wirksam. An einer Gruppe von 132 Jugendlichen im Alter von 11 bis 15 Jahren haben die US-Forscher untersucht, von denen etwa die Hälfte eine positive Familienanamnese hatte. Die Erkrankung naher Verwandter ist ein bekannter Risikofaktor für Depressionen.

Die Jugendlichen waren (noch) nicht erkrankt. Einige zeigten bei einer sogenannten funktionellen Kernspintomographie jedoch eine vermehrte Aktivität. Den Jugendlichen waren Fotos von ängstlichen Gesichtern gezeigt worden, während sie sich in der Röhre des Kernspintomographen befanden. Dabei zeigten einige Jugendliche, die aus sozioökonomisch schwächeren Familien kamen und besonders viele Methylierungen im SLC6A4-Gen aufwiesen, die stärkste Reaktion. Diese Kinder zeigten in einer Nachuntersuchung im Alter von 14 und 19 Jahren am häufigsten depressive Symptome. Der Zusammenhang war besonders deutlich bei den Kindern, welche eine positive Familienanamnese hatten. Die Ergebnisse liefern einen plausiblen Wirkungsmechanismus, über den sozialer Stress in Familien die Entstehung von Depressionen fördern könnte. Epigenetische Veränderungen ließ sich teilweise auf die nächste Generation weitergeben, deshalb auch die große familiäre Häufung.

Da epigenetische Tests in Blutproben durchgeführt werden, wäre ein Screeningtest vorstellbar, mit dem gefährdete Jugendliche frühzeitig erkannt werden können. So weit ist die Forschung jedoch noch lange nicht.

 

Quelle: www.aerzteblatt.de